Montag, 4. August 2008
Unterwegs auf Schusters Rappen
„Sobald ich auch nur EINEN Bekannten sehe, sitz’ ich ratzfatz wieder im Auto“ droht mein Herzblatt mit panischem Flackern in den Augen, während uns eine dralle Mitfünfzigerin fröhlich auf den Parkplatz vor der Rosenheckhalle in Ebernhahn einwinkt, dem offiziellen Ziel- und Startpunkt der „34. Internationalen Kännebäckerlandwanderung“, während ein Schwarm Ü60-Wanderer mit Pusteblumenfrisur flotten Fußes die Straße überquert. „Guck, da gehen’se…der Wanderverein „Ab-in-den-Sarg“ und die „Flotten Mumien“ bemerkt O. wenig zartfühlend. „Genau, und WIR gleich mittendrin“ nicke ich und ziehe meinen designierten Wanderkameraden ins Innere der Halle, wo sich an langen Biertischen bereits laut plaudernd das grauhaarige Wandervolk tummelt. Für „Einsfuffzisch“ pro Person erwerbe ich zwei Startkarten und schon kann es losgehen. Ähm….losgehen…wo denn jetzt?
„Do hinne jäht ett los!“ informiert uns eine pusteblumige Knickerbockerträgerin, die uns wohl mit sicherem Blick als Volkswanderneulinge erkannt hat.

Zu bewandern sind hier Strecken á 5 / 10 / 20/ 42 und 50 km, den jeweiligen Streckenlängen sind Farben zugeordnet, die den entsprechenden Weg markieren. Die 10 km sind in gelb gekennzeichnet, also marschieren wir fröhlich (bzw. ICH fröhlich und O. - naja, er kann seine Freude halt nicht so zeigen) mit Gelb im Blick an vereinzelt herumstreunenden Senioren in Wanderschuhen vorbei in den Wald, über einen Feldweg den Berg hoch und wieder runter. Ich finde es toll, quake alle 2 Sekunden „Nee, wie schön!“ und O. freut sich eher unauffällig nach innen.

Nach 2,5 km gevolkswanderten Waldkilometern erreichen wir die erste Stempelstelle, wo uns von einem schweigenden Gamsbarthutträger ein lustiger Entchen-Stempel in unsere Startkarten aufgedrückt wird. Zudem gibt es Zitronentee für umme, außerdem selbstgebackenen Marmorkuchen und diverse Kaltgetränke für nen Euro. Volkswandererherz, was willst Du mehr? Einzig die Tatsache, das nun eine große 11 auf dem Streckenplan gelb unterlegt ist, verwirrt mich ein wenig…“Ist die gelbe Strecke nun 10 oder 11 km lang?“ befrage ich den Gamsbarthutträger. „Wos?“ brummt er erschreckt. „Naja, beim Start stand da eine 10 bei der Streckelänge, hier steht nun eine 11, wie lang ist die Strecke denn nun?“ begehre ich zu wissen. Er kratzt sich am Kopf, guckt mich skeptisch an und legt einfach einen großen Stein auf den ausliegenden Streckenplan, so das die 11 nun verdeckt ist. Was man nicht sieht, muss man auch nicht hinterfragen, recht so. Ob nun 10 oder 11 ist ja nun im Grunde auch wurschtegal. „Wahrscheinlich stockstaub“ vermutet O. beim Weiterwandern.

Das Stechschritt-Tempo, das mein Herzblatt nun fröhlich anschlägt, um sich „ja von keiner dieser Mumien überholen zu lassen“ bringt mich trotz aller Läufer-Fitness ein wenig ins Schwitzen, macht uns aber zu den Königen der Wandervögel – wir werden kein einziges Mal überholt, wenn man von den 3 Läufern mal absieht die diese Veranstaltung als wunderbare Trainingsmöglichkeit mit schöner Strecke und guter Verpflegung nutzen. Zwei Stempelstellen später erreichen wir das Ziel/Start/die Rosenheckhalle nach gut 90 Minuten, wo wir uns nach einem letztmaligen offiziellen Abstempelns der Startkarte eine Wandertrophäe abholen könnten. „Bloss nicht, keine Beweismittel“ wehrt O. ab.

Zusätzlich zur Trophäe könnten wir uns die gewanderten Kilometer auch noch in ein Wertungsheft eintragen lassen, um nach einer gewissen Kilometerzahl in den Besitz einer Wandernadel oder ähnlicher Abzeichen zu kommen, aber naja…irgendwie fahren wir dann doch lieber nach Hause, man muss sich ja auch noch steigern können.

http://www.ivv-web.org/deutsch/

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Dienstag, 29. Juli 2008
Die nächste junge Mutter.....
....die mir gefühlte 5 Stunden am Stück begeisterte Monologe über Dammrisse, Milcheinschuß, nächtliches Babygeschrei und Müdigkeit, Blähungen und Durchfall (bei Kind und/oder Mutter), wunde Brustwarzen, schmerzende Kaiserschnittnarben und Babykotze hält und auf mehrmaliges "Ähm, also eigentlich interessiert mich das gar nicht so" absolut ignorant mit "Jo, hat es mich früher auch nicht" reagiert und trotzdem weiterblubbert, die wird von mir auf einen Stuhl geschnallt. Dann werde ICH Monologe halten über verschiedene Laufschuhmodelle und Trainingspläne, Vor- und Nachteile von Vorfußlaufen, Knie- und Achillessehnenprobleme, Kohlenhydratbedarf vor/während/nach dem Training, aerob- und anaerobem Pulsbereich, die Unterschiede zwischen den gängigen GPS-Modellen und der korrekten Ausführung von Intervallen.

Beim ersten leisen Protest jungmütterlicherseits werde ich noch ein paar Erfahrungsberichte von diversen Laufveranstaltungen nachlegen, garniert mit Randbemerkungen über Höhenmeter, Bodenbelag, Organisationsfehlern, Höhe der Startgelder und Ausstattung der Verpflegungsstellen. Um in Sachen Ekelfaktor gleichzuziehen, könnte ich ja noch von diversen Horrorstories wie "akuter Durchfall beim Marathon wg. Isogetränken" und eitrigen Blutblasen und schwarzen Zehennägeln erzählen. Und dann wollen wir doch mal sehen, wer von uns beiden besser in der Disziplin "Gesprächspartner-zu-Tode-langweilen-und-ekeln" ist.

Ab heute wird zurückgeschossen, aber sowatt von....

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Freitag, 25. Juli 2008
Meeting Frau Schmidt
Vor vielen, vielen Jahren begann ich im zarten Alter von 16 Jahren meine Ausbildung und teilte ich mir mein Büro mit meiner 12 Jahre älteren Kollegin Ines, die zur besseren Verdeutlichung unseres Altersunterschieds von unseren männlichen Kollegen den hart-aber-herzlichen Namen „die aal Frau Schmidt“ verpasst bekam, den sie mit Humor zu tragen wusste. Die aal Frau Schmidt und ich verstanden uns ganz hervorragend, wenngleich unsere Interessen bezüglich Freizeitgestaltung altersbedingt ganz unterschiedlich angesiedelt waren. So hibbelte ich bereits donnerstags vor lauter Vorfreude wie ein Brummkreisel auf meinem Bürostühlchen herum, weil für den Abend ein Diskobesuch geplant war und am Wochenende gefühlte 20 „total coole“ Parties anstanden. Montags schleppte ich mich meistens mit total verquollenen Sehschlitzen und dem ein oder anderen Alkohol-Fähnchen übermüdet ins Büro, wo die aal Frau Schmidt schon ausgeschlafen und erholt auf mich wartete. Mein absolutes Unverständnis darüber, das sie ihr kostbares Wochenende bloss mit Essen- und Spazierengehen und ein bisschen Lesen auf dem Balkon verbracht hatte, quittierte sie schmunzelnd mit „Ich bin die aal Frau Schmidt, ich darf datt…komm’ Du mal in mein Alter, Du Küken“ Als ob ich jemals ein Wochenende ohne Disko, Konzerte und Parties verschwenden würde – undenkbar. Die aal Frau Schmidt, die hat doch gar keine Ahnung, hat die. Aber echt mal! Und die ganzen coolen Bands kennt sie auch nicht, gibt’s denn das?

Hin und wieder liess sich die aal Frau Schmidt tatsächlich von mir in diverse „coole“ Diskos schleppen, aber die totale Begeisterung für diese Art der Abendgestaltung blieb bei ihr aus. Angeblich hätte sie das in meinem Alter schon alles erlebt und hätte da jetzt nicht mehr so die Lust drauf. Unglaublich. Da würde ich mich aber lieber gleich begraben lassen, so was.

Trotz dieser unterschiedlichen Auffassung unserer Lebensplanung hatten wir jede Menge Spass, und den haben wir auch heute noch, wenn wir uns in unregelmässigen Abständen auf einen Kaffee in der Stadt oder ein Schwätzchen treffen, und gestern war es dann wieder Zeit für einen Eiscafebesuch mit der aal Frau Schmidt.

Wir albern wie üblich herum und ich erzähle, das bei uns in der Firma die Produktion an Montagen ein einziger Krampf ist, weil unsere Mitarbeiter (alle um die 20) vor lauter Müdigkeit und Restalkohol kaum was auf die Reihe kriegen. Frau Schmidt grinst und rührt in ihrem halbleeren Eisbecher. „Was grinste denn so?“ begehre ich zu wissen. „Och, nix…“

Frau Schmidt erzählt von ihrem Leben, ich von meinem….von den schönen Läufen am Wochenende, ganz früh morgens, von Grillabenden mit meinem Herzblatt, von spannenden Büchern die ich gelesen habe und von Kochrezepten, die ich kürzlich ausprobiert habe. Und das meine Mitarbeiter in der Mittagspause im Radio immer ganz komische Musik hören, die ich überhaupt nicht kenne. Frau Schmidt bricht in Lachen aus. „Was denn?“ „Merkste nix?“ „Na, WAS denn???“ „Mensch, jetzt bist DU die aal Frau Schmidt, wer hätte das gedacht?“ prustet Ines.

Kurzes Nachdenken - Sie hat recht! Und dabei habe ich noch gar nicht erzählt, das ich wochenends meistens um 23.00 Uhr im Bettchen liege, dafür müsste dann wohl erst eine neue Bezeichnung erfunden werden ;)

Herzlichst,
datt aal Frollein Holle

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